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Die, in der andere Leute Sex haben

Wissen Sie: Ich weiß, Sex sells. Aber jedes Mal, wenn ich mich in einer Kolumne auf die schlüpfrige Schiene begebe, sehe ich meinen Vater vor mir. Wie er bei der Frisöse seines Vertrauens sitzt, den „Kärntner Monat“ liest und sich anhören muss: „Ihre Tochter, die ist ja ein ziemliches Früchtchen … ein bisschen fixiert, gell?“ Deshalb schließe ich an dieser Stelle einen Kompromiss. Ich schreibe über Sex. Aber nicht über meinen. Das sellt sicher auch. Die folgende Geschichte bestimmt. Passt ja auch zu Kärntens berühmtestem Stabreim: Fortgehen, fett werden, fremdgehen.

‚War ich gut?‘ – ‚Ach, wir hatten Sex?‘

Meine Freundin, die an dieser Stelle nicht genannt werden möchte, trank sich eines Nachts nicht nur drei Promille an, sondern auch einen Typen schön und ging mit ihm nach Hause auf ein letztes Bier, was eigentlich – wie jeder weiß – die Metapher dafür ist, dass man sturzbesoffen durchs Bett turnt und am nächsten Morgen beschämt nebeneinander aufwacht. Nach dem ersten peinlichen Moment („Wie war noch mal dein Name?“) und Rekonstruktionen der letzten Nacht („War ich gut?“ – „Ach, wir hatten Sex?“), einigten sie sich pragmatisch („Wenn wir schon mal nackt sind …“) darauf, dass sie bestimmt nicht grundlos miteinander im Bett gelandet waren und wollten ihre frisch gewonnene Sympathie darin ausdrücken, jetzt mal Sex zu haben, an den sie sich auch erinnern konnten. Gaben sich die Hand drauf und legten los. Doch genau in dem Augenblick, in dem die beiden es in der Leibesmitte kräftig klingeln lassen wollten, klingelte sein Handy. Öha!

Und dann fing der Erotik-Krimi an: Als er auf das Display sah, schoss das Blut aus seiner Leibesmitte schneller, als er „In flagranti“ sagen konnte, nach oben. Hochrot nahm er den Anruf an, stotterte ein paar Worte, legte auf und sprang panisch aus dem Bett. „Scheiße, meine Freundin ist auf dem Weg hierher!“ brüllte er und deutete ihr mit einer eindeutigen Geste an, dass sie sich gefälligst anziehen und schleichen sollte. Doch er hatte nicht mit meiner Freundin gerechnet. Die begann, übers ganze Gesicht zu strahlen. „Geil! So etwas kenne ich nur aus dem Fernsehen!“ Und während sein Gesicht langsam die Farbe der weißen Bettwäsche annahm und er hektisch versuchte, auf einem Bein in seine Unterhose zu steigen und meine Freundin mit dem anderen aus dem Bett zu treten, setzte die sich entspannt auf, schob sich ein Kissen in den Rücken und zündete sich erwartungsvoll eine Zigarette an. Fehlte nur, dass sie ihn um einen Becher Popcorn und ein paar Käse-Nachos gefragt hätte, um sich ihre eigene Version von „Eine verhängnisvolle Affäre“ aus der ersten Reihe anzusehen.

Das tat sie dann aber doch nicht, da der Knabe fast schon Schaum vor dem Mund hatte und bedenklich mit seinen Extremitäten zuckte. Sie fand, es wäre vergebene Liebesmüh gewesen, wenn ihn ein Schlaganfall dahinraffen würde, ehe seine Freundin ihn in flagranti erwischt hatte, also räumte sie gönnerhaft das Feld.

Mein Vater hat seiner Frisöse übrigens geantwortet: „Ganz der Papa“. Jetzt liest er den „Kärntner Monat“ lieber bei der Pediküre.


 

(Erschienen in: „Kärntner Monat“, Ausgabe 03/2010)

Die, in der ich in einem schwarzen Loch verschwinde

Wissen Sie: Letztens war ich mit meiner besten Freundin B. in Klagenfurt unterwegs. Wir landeten in einem jener Lokale, in denen es immer ein bisschen zu sehr nach abgestandenem Bier und alkoholgeschwängertem Männerschweiß riecht und man nur endet, weil nichts anderes mehr offen hat. Letzte Ausfahrt Nachtbeisl. Ich spreche von den Orten, wo sich all jene kläglichen Überbleibsel der Nacht treffen, die krampfhaft auf der Suche nach einem kalten Bier oder heißen Flirt sind und die Gefahr groß ist, sich bei den schlecht gespülten Gläsern oder gut abgefüllten Gästen Herpes oder eine ansteckende Geschlechtskrankheiten zu holen.

Das interessierte B. und mich aber herzlich wenig, denn unser Promillestand war weit größer als der Ekel vor etwaigen Bekanntschaften, also bestellten wir uns beherzt zwei Bier und taten das, was Frauen machen, wenn sie jenseits von Vernunft und Verstand agieren. Wir unterhielten uns bei leichtfüßigen Lästereien und gackerndem Gelächter über vergangene Lover und künftige Katastrophen. „Ich bin aus dem Alter von Onenightstands raus“, meinte B., und ich stimmte ihr zu.

‚Komme gerade nach Hause. Wo ist das schwarze Loch, in dem ich verschwinden kann?‘

Stunden später knutschte ich mit einem Typen, weil mir langweilig geworden war, als B. zur Toilette ging und nach meinem promillegeschwängerten Zeitempfinden ewig brauchte. Ihr wiederum wurde langweilig, als sie zurückkam, also schnappte sie sich den Freund meines Lippenpartners. Irgendwann wurde dann mir beim Knutschen langweilig, und weil ich B. nicht von den Lippen ihres Onenight-Küssers los bekam, ging ich nach Hause. Am nächsten Tag las ich nachmittags grinsend ihre Nachricht. „Komme gerade nach Hause. Wo ist das schwarze Loch, in dem ich verschwinden kann?“

Nächte wie diese hinterlassen fast immer den Wunsch nach einem schwarzen Loch, in dem man verschwinden kann. Es ist schlimm genug, morgens aufzuwachen und sich nicht an den Abend zuvor zu erinnern. Noch schlimmer ist es, nicht zu wissen, wo man ist. Am schlimmsten ist es jedoch, wenn man nicht weiß, wer da nackt neben einem liegt. Meine Freundin B. ist in solchen Momenten eher unfreundlich. Nach dieser einen Nacht drehte sie sich ungehalten zu dem Typen um und keifte: „Egal, wer du bist – aber kannst du bitte gehen?“ Erst folgte Stille, dann sagte er zaghaft: „Aber ich wohne doch hier“, und B. musste selbst verschämt das Schlachtfeld räumen.

‚Wasch dich, du bist nicht der Frühling!‘

Ich persönlich halte nichts von Onenightstands. Das kann daran liegen, dass meine erste Erfahrung damit wörtlich in einem schwarzen Loch endete und ich den damit entstandenen posttraumatischen Stress niemals verkraftet habe. Ich war 16 und noch offen für Erfahrungen der prickelnden Art, als ich eines Nachts C. traf und aufgeregt in sein Auto stieg. Er fuhr mit mir zu einem verlassenen Golfplatz irgendwo bei Krumpendorf, wo er an mir offenbar sein Handicap verbessern wollte. Um das Vorspiel aufzupeppen, stieg ich aus, rannte kichernd-rufend „Hasch mich, ich bin der Frühling“ über den nächtlichen Golfplatz – und fand mich tatsächlich in einem schwarzen Loch in Form eines modrigen Tümpels wieder. Es war sehr peinlich, als mich C. aus diesem stinkenden Sumpf ziehen musste. Anstatt mit mir zu schlafen, rümpfe er die Nase, legte Plastikfolie auf den Beifahrersitz und brachte mich nach Hause. Zum Abschied sagte er nicht „Ich ruf dich an“, sondern „Wasch dich, du bist nicht der Frühling“ – und ich schäme mich noch heute für diesen sexlosen Onenightstand interruptus, wenn ich einen Golfplatz sehe – trotz des schwarzen Lochs, in dem ich verschwunden bin.


(Erschienen in: „Kärntner Monat“, Ausgabe 05/2008)