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Die, in der ich die Jungs von Tokio Hotel beim Frisör treffe

Wissen Sie: Alle paar Monate passiert es. Mich überkommt das unbändige Gefühl, dass mir jemand den Kopf waschen muss. Also gehe ich zum Frisör. Mein Stammfrisör zählt zu den besten der Stadt. Ich bekomme dort ein Bademäntelchen, damit ich schön sauber bleibe, genug Komplimente zu meinem ach so fabelhaften Haupthaar und natürlich das obligatorische Gläschen Prosecco für den Kreislauf. Ein Drumherum, das in mir das Gefühl vortäuscht, die Königin in der Welt von St. Frisuristan zu sein, was der latent im mir schlummernden Rampensau natürlich schmeichelt.

Wie sollen solche Jungs ihre Sexualität einsetzen, wenn sie noch nicht mal geschlechtsreif sind?

Neuerdings gibt es dort allerdings etwas, das mich irritiert: knackige Lehrlinge, die offenbar nicht nur dazu da sind, Prosecco zu servieren, sondern auch ein wenig zu enge Jeans zu tragen. Mir ist klar, worauf das abzielt, aber es behagt mir so gar nicht. Klar, es gibt sicher Kundinnen, die ihre Scheine liebend gerne statt in die üblichen Frisör-Spardosen in die Jeans dieser Jungs stecken würden, aber ich gehöre nicht dazu. Ich meine: Das sind Kindsmänner, die wie Toy Boys wirken sollen. Und ich muss mich jedes Mal fragen: Wie sollen solche Jungs ihre Sexualität einsetzen, wenn sie noch nicht mal geschlechtsreif sind? Mich erinnern sie an Tokio Hotel vor ein paar Jahren, wo ich mich immer wieder fragte, warum ich diesen prae-pubertären Musikkindern dabei zusehen soll, wie sie im Rampenlicht erwachsen werden. Will ich das? Erster Kuss, erster Stimmbruch, erster Samenerguss? Und alles, während sie in der Öffentlichkeit durch den Monsun zum Ende der Nacht hatschen? Nein danke, kein Bedarf, nicht mal dann, wenn das erstmals ausgeschüttete Testosteron Einfluss auf ihre bescheuerten Frisuren gehabt hätte.

 Der Knabe wusch mir zwar die Haare, aber gleichzeitig auch Hals, Nacken und Klamotten.

Bisher hatte ich mit diesen Toy Boys nichts zu tun, doch letztens kam tatsächlich so ein Bübchen zu mir und bat mich zum Haare waschen. Und genau da fing das Drama an und ich ging durch den Monsun ans Ende des Unheils. Wo ich normalerweise genüsslich die Augen schließe und mich fallen lasse, um eine entspannte Kopfmassage auszukosten, hätte ich mich in den Händen eines 16-Jährigen doch etwas auf pädophilen Abwegen gefühlt, wenn ich diese Haarwäsche genossen hätte. Das war auch gar nicht möglich. Der Knabe wusch mir zwar die Haare, aber gleichzeitig auch Hals, Nacken und Klamotten. Nach einem dezenten Räuspern und dem rügenden Hinweis, dass ich doch zu sehr gebadet wurde, versprach er Besserung. Drehte die Brause auf und spülte mir im nächsten Waschgang das linke Trommelfell gefühlt zwischen die Kniekehlen. Langsam wurde ich ungehalten und wies das Kind am Wasserhahn darauf hin, dass ich ab sofort trocken bleiben wollte. Vergeblich. Letztlich war ich eingenässt wie eine Dreijährige nach zu viel Konsum von Spezi. Als ich aufstand, sah der Toy Boy auf den Boden und kommentierte verblüfft die Wasserpfütze um das Waschbecken: „Wo kommt die denn her?“ fragte er etwas dümmlich und sah mich an, als hätte ich die Weisheit mit einem großen Löffel gefressen (nein, mein Lieber: es war die große Brause!).

Es war ein resignierter Seufzer, der mir entfleuchte, als ich auf das Wasser zu seinen Beinen deutete und antwortete: „Entweder habe ich recht und du kannst wirklich nicht Haare waschen – oder du hattest gerade deinen ersten Samenerguss.“


 

(Erschienen in: „Kärntner Monat“, Ausgabe 10/2009)