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Die, in der ich ins Fitnessstudio gehe und fast sterbe

Wissen Sie: Neulich las ich auf einer Postkarte den Spruch „Du bist zu fett für diesen Sommer“, der zwar nicht an mich gerichtet war, aber doch mit voller Wucht auf die paar Kilos zuviel an meinen Hüften und meinem Hintern zielte. Nicht, dass ich das persönlich nehmen würde, sicher nicht, aber als Frau hat man ja grundsätzlich Komplexe, egal welche, und die mit Übergewicht sind die schlimmsten. Wer kennt sie nicht, die Krise, die einen in die Oberschenkel kneift und brüllt: Beweg deinen Arsch, Baby! Also ab zum Sport. Jetzt, sofort. Zehn Kilo abnehmen, am liebsten in zehn Minuten. Geht nicht? Weiß ich. Es versuchen? Klar.

Ich wusste nicht, wie fies das Wort Kräftigung sein kann, wenn man es tatsächlich ausführt.

Also den einfachen Weg gehen – den zu meiner Schwester. Die ist ihres Zeichens Aerobic-Trainerin aus Leidenschaft, aber wie ich feststellen musste, führt sie ein Doppelleben. In Wahrheit gibt sie keine Fitnessstunden, sondern ist eine russische Geheimagentin, die sich darauf spezialisiert hat, Menschen zu foltern – herzlos, erbarmungslos, schonungslos. Das erfahre ich, als ich einen ihrer so genannten Kräftigungs-Kurs besuche. Denn ich wusste nicht, wie fies das Wort Kräftigung sein kann, wenn man es tatsächlich ausführt. Jeder war kräftig in dieser Stunde: meine Schwester, die anderen Kursteilnehmer, mein Hintern – aber meine Kondition nicht.

Willkommen in der Hölle. Mal abgesehen davon, dass alle anderen Kursteilnehmerinnen dünner waren und mehr Kondition hatten, habe ich ein paar andere wesentliche Dinge über mich gelernt, die ich eigentlich gar nicht lernen wollte.

    • Ich werde mich nie wieder bücken, wenn ich nichts aufheben will, weder gegrätscht, noch gebeugt. Und erst recht nicht, wenn eine wahnsinnige Fitnesstrainerin in viel zu engen Latex-Leggings es mir befiehlt.
    •  Es findet niemand lustig, wenn man nach fünf Minuten Aufwärmtraining fragt, wann es endlich das Freibier gibt – obwohl vor der Stunde auf die Wichtigkeit des regelmäßigen Trinkens hingewiesen wurde.
    • Die Leute halten einen für wahnsinnig, wenn man nach der Aufforderung, sich Hanteln zu nehmen, freudig ausruft: „Guckt mal, die Hanteln passen perfekt zu meinem Nagellack!“ – obwohl das Kirschrot wirklich identisch ist!
    • Lautes Mitsingen ist nicht gestattet, auch dann nicht, wenn man fest davon überzeugt ist, dass man „Hit Me Baby One More Time“ besser singt als Britney Spears auf Speed.
    • Es ist nicht erlaubt, nach jeder Übungsanweisung lautstark „Mach’s doch selber, du Sau!“ zu brüllen, auch wenn man miteinander verwandt und es gewohnt ist, sich gegenseitig alles zu heißen.
    • Erst wenn man Übungen für den Unterbauch gemacht hat, weiß man, dass man einen hat. Obwohl man keinen mehr haben will, wenn man ihn erst mal gespürt hat.
    • Hat man einen empfindlichen Magen, sollte man sich nie mit dem Gesicht nach unten auf eine Gymnastikmatte legen, die von tausenden Menschen  zuvor voll geschwitzt wurde – der Brechreiz kommt schneller als die Kräftigung.

 Ich bin nicht für Sport gemacht. Wo andere von den ausgeschütteten Glückshormonen schwärmen, jammere ich über die fiesen Muskeln, die ich plötzlich spüre. Wer braucht schon Sport? Ich sicher nicht. Und so soll es auch bleiben. Das schwöre ich auf die verschwitzte Gymnastikmatte meiner Schwester. Dann bin ich eben zu fett für diesen Sommer. Dafür stinkt sie nach Schweiß. Ätsch!


 

(Erschienen in: „CHICA“, Ausgabe 09/2007)

Die, in der ich in 28 Tagen 34 Stunden Sport mache und sterbe

Wissen Sie: Neulich spielte sich in der Redaktionskonferenz der Zeitschrift „miss“ Ungeheuerliches ab. Chefredakteurin J. warf in die Runde: „Wir brauchen noch ein Sportthema. Irgendwas Neues, irgendwas Lustiges?“ Allgemeine Stille. J. sah mich an. „Jasmin? Idee?“ Ich winkte ab: „Vergiss es, das sportlichste an mir ist mein Eisprung.“ J. reagierte freudig: „Das ist es! Eine Geschichte über jemanden, der Sport hasst!“ Ich antwortete Böses ahnend: „Ähm, ja, aber so war das nicht gemeint …“ Erneut J. mit diabolischem Grinsen: „Sowas wie: Von einer, die auszog, Fitness zu lernen.“ Ich spürte leichte Panik in mir aufsteigen. „Das ist super. Du kriegst einen Personal Trainer und testest, wie es ist, als unsportlichster Mensch der Welt Fitness zu lernen!“ Jetzt war ich richtig panisch: „DA HAB ICH KEINE ZEIT!“ Doch keine Chance. „Alles klar, du machst es“, sagte J. mit fiesem Glitzern in den Augen: „Auch mit Ernährungstipps. Ich wette, du darfst vier Wochen lang keinen Alkohol trinken.“ Mitleidsvolles Aufstöhnen von allen. Jetzt war ich richtig, richtig panisch: „Vier WOCHEN? Ich schaffe doch nicht mal vier STUNDEN!“

Humor? Der hatte zwischen all dem Testosteron keinen Platz!

Soweit das Vorspiel. Der eigentliche Akt spielte sich dann vier Wochen lang in der Hölle ab. In Zahlen: Ich habe 34 Stunden Sport in 28 Tagen gemacht. Betreut von meinem Personal Trainer, den ich liebevoll Zerberus nannte, denn er war ein echter Hundling. Er fiel in die Kategorie jung, knackig, fesch – und ausgesucht dumm. Ich habe das Gefühl, dass sich sein Hirn proportional zu seinen Muskeln verhält – wo Muskelmasse wächst, schrumpft Hirnmasse. Und Humor? Vergessen Sie’s, der hatte zwischen all dem Testosteron keinen Platz. Meine selbst erfundenen Sportlerwitze (in denen alle Sportler kleine Penisse hatten) fand er gar nicht lustig. Ich habe den Verdacht, dass er deshalb umso gemeiner zu mir war. Eine Stunde Personal Training entwickelte sich zu 60 Minuten Personal Horror. In den Tagen nach einer Stunde mit ihm wimmerte ich rund um die Uhr leise vor mich hin. Sogar nachts wurde ich wach, wenn ich mich umdrehte, weil es einfach zu schmerzhaft war. Mein aktives Sprachzentrum schrumpfte, je mehr Sport ich machte und beschränkte sich aufs Wesentliche: „Aua!“, „Aaaah!“ und „Verdammte Scheiße, tut das weh!“

‚Ein! Kleines! Bier!‘

Dazu kam der psychische Druck, den Zerberus auf mich ausübte. „Kein Fett, wenig Kohlehydrate, kein Alkohol!“ befahl er mir. Und obwohl ich gerade nicht versuchte, meine Beine im rechten Winkel hinter meinen Ohren zu verknoten oder mit zehntausend Therabändern zugeschnürt gegrätscht durch den Gymnastiksaal zu hoppeln, wurde mir schwarz vor Augen. „Aber es gibt Ausnahmetage?“ fragte ich und zwinkerte ihm verschwörerisch zu, „wo ich Bier trinken darf, gell?“ Er räusperte sich leise. „Einmal die Woche, okay? Fünf große, nein, sagen wir lieber gleich acht!“ Kumpelhaft schlug ich ihm auf die Schulter und wartete auf ein verständnisvolles Nicken. Doch seine Miene blieb undurchdringlich, nur in seinen Augen meinte ich, einen Hauch Abscheu zu erkennen. „Ein Ausnahmetag“, fing er an. Ich nickte freudig. Hatte ich’s doch gewusst! „Im Monat!“ fügte er an. „Und dann darfst du ein kleines Bier trinken“. Mir blieb die Spucke weg. „Ein! Kleines! Bier!“ wiederholte ich geschockt. „Ja sind wir im Kindergarten oder im Fitnessstudio? Das würde ich meiner Nichte zum Frühstück anbieten – und die ist erst vier!“ Doch auch an dieser Stelle fand er meinen Humor fragwürdig. „Trinkst halt Wasser“, schlug er genervt vor. „Pah!“ schnaubte ich. „Wasser? Ja will ich mich waschen?“

Ich hab tatsächlich Wasser getrunken. Wäre aber auch nicht anders gegangen, denn selbst das Anheben eines Pfiff-Glases verursachte mir unglaubliche Schmerzen. Ich glaube, Zerberus lacht sich noch immer heimlich ins trainierte Fäustchen. Mir hingegen ist das Lachen vergangen. Denn auch das tat unheimlich weh.


 

(Erschienen in: „Kärntner Monat“, Ausgabe 03/2011)